Erasmus von Dürer
Albrecht Dürer: Imago Erasmi Roterodami (1526)

„Die Welt ist voller Narren, und wer das nicht glaubt, ist selbst einer.“

Der Humanist

Geboren irgendwann zwischen 1464 und 1469 als Sohn eines katholischen Priesters und seiner Haushälterin an der Schwelle vom Spätmittelalter zur Renaissance, setzte er sich zeitlebens für Bildung, Unterstützung der Bedürftigen, soziale Reformen und die Überwindung von (meist durch Glaubensfragen entstandene) Gräben ein. Erasmus sah sich als Vermittler von Bildung. Er verfasste angeblich 444 Bücher, über 3000 Briefe, war Herausgeber, Textkritiker und als Grammatiker begründete er die neuzeitliche Philologie, also die moderne Sprach- und Literaturwissenschaft. 

Sein bekanntestes Buch, das "Lob der Torheit" zählt zur sogenannten Narrenliteratur. Eine literarische Gattung, die die menschlichen Schwächen, seine Selbstüberschätzung und geringe Lernfähigkeit thematisiert und sich zwischen dem 11. und 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreut. Zu dieser Gattung gehören auch die allseits bekannten "Geschichten von Till Eulenspiegel" (1510), dessen Autor zwar bis heute unbekannt ist, aber der originelle, ständig herumreisende Schalk, der mit seinen Streichen regelmäßig die spätmittelalterliche Welt Kopf stehen läßt, ist auch heute noch beliebt. Bekannter ist hingegen Sebastian Brant als Autor von "Narrenschiff" (1494).

Ironie und Humor war auch die Medizin, die Erasmus von Rotterdam seinen Lesern und Mitmenschen gern verabreichte. Er tat dies aber nicht zur reinen Unterhaltung, vielmehr sah er in Dummheit und menschlichen Fehlern ein von Natur aus wichtiges und unerlässliches Gegengewicht zur Vernunft, die oft das Leben nur erschwert oder gar unmöglich macht. Dazu mehr im Abschnitt über Erasmus, den Philosophen. Auch sein Ziel, den Menschen durch Bildung und Nächstenliebe aus seiner unverschuldeten Unwissenheit und Not zu befreien und damit zur Selbstständigkeit und einem erfüllten Leben zu verhelfen, machen ihn zum herausragenden Humanisten seiner Zeit.

„Die Hauptzutat des Glücks ist: zu wollen, was man ist.“

Der Theologe

Erasmus besuchte von 1473 bis 1478 die Kirchspielschule in Gouda (NL), anschließend in Deventer die zum Stift St. Lebinius gehörende Lateinschule (1478 - 1485) und um der Pest zu entgehen - der Mutter und Vater zum Opfer fielen - wahrscheinlich zwei Jahre die Lateinschule in 's-Hertogenbosch. Ab da ging's ab ins Kloster: nicht als Mönch, aber als "regulierter Chorherr" im Kloster der Augustinerchorherren Emmaüs te Stein bei Gouda. 1492 wurde er zum Priester geweiht. Von 1493 bis 1499 war er Sekretär des Bischofs von Cambrai Henri de Bergues.

Zu dieser Zeit studierte er Theologie an der Sorbonne in Paris (1495 - 1499) und kam in Kontakt mit französischen Humanisten, wie Robert Gaguin. Er beschloss von nun an „sich ganz der heiligen Literatur zu widmen“ (1500) und befasste sich noch intensiver mit Theologie und dem Studium der Heiligen Schrift. Regelmäßig auf Reisen zwischen den Niederlanden, England und Frankreich, lernte er Thomas Morus und den späteren König Heinrich VII. kennen. 1506 zog er nach Italien, wo er in Turin zum Doktor der Theologie promovierte, was ihm automatisch den Titel "Reichsbaron" einbrachte. Die Scheinheiligkeit des mehr an weltlichen Dingen interessierten Klerus waren im bereits ein Dorn im Auge.

„Ich will lieber mit einem aufrichtigen Türken als mit einem falschen Christen zu tun haben.“

Der Reformer

Inzwischen nach England übersiedelt, unterrichtete er von 1510 bis 1515 Griechisch an der Universität Cambridge. 1511 wurde er zusätzlich Rektor der Gemeinde St. Martin's Church in Aldington in der Grafschaft Kent. Das dort ausgeschenkte Bier bekam ihm aber anscheinend nicht und so kündigte er wegen angeblicher Nierenbeschwerden nach nur einem Jahr und pendelte von nun an zwischen England, Basel und Burgund im östlichen Zentralfrankreich. Am Hofe von Burgund in Löwen war er als Rat tätig, eine Art Erzieher des späteren Kaisers Karl V.

Papst Hadrian VI. war einer seiner unzähligen Brieffreunde und bat ihn um Unterstützung, da er den „Frieden der Christenheit“ durch die sich ausbreitende Reformation in Gefahr sah. Als Gegner des deutschen Reformators Martin Luther und des in der Schweiz agierenden Huldrych Zwingli versicherte Erasmus dem Heiligen Vater seine vollste Loyalität und Treue. Er war immer noch Priester und zog von Basel nach Freiburg im Breisgau (D), da sich in Basel Zwingli und seine Reformation durchsetzten. Allerdings hegte auch er Reformgedanken und kritisierte Machtmissbrauch und Korruption in der katholischen Kirche, forderte eine Reform der Theologie und lehnte dogmatische Streitigkeiten grundsätzlich ab. Er lehnte auch die konfessionelle Spaltung ab und vertrat die Position durch friedlichen Dialog zu gemeinsamen Lösungen zu finden. Des weiteren forderte er eine kritische Auseinandersetzung mit der Bibel und eine Rückbesinnung auf die Kirchenväter. 

Einschneidend für Erasmus war der Prozess seines Freundes Thomas Morus, der 1529 zum Lordkanzler am Hofe Heinrich des VIII. ernannt wurde. Eine undankbare Aufgabe, schließlich musste sein Vorgänger, Kardinal Thomas Wosley, vom Amt zurücktreten, da er sich weigerte die Ehe Heinrichs des VIII mit Katharina von Aragon zu annullieren. Auch Thomas Morus bestand auf der Einhaltung des kirchlichen Rechts, nur der Papst könne darüber entscheiden. Seine Weigerung die Scheidung vorzunehmen, brachte in zuerst in den Kerker und anschließend ans Schafott, wo der katholische Hardliner 1535 sein Leben beendete. Als Lordkanzler und vehementer Gegner der Reformation war er allerdings selbst verantwortlich für Verfolgung und Verbrennung von unzähligen ihrer Anhänger. Angeblich bat er seinen Henker, er möge bei Vollstreckung des Urteils auf Morus' Bart achten. Seine letzte Pointe im irdischen Leben, schließlich war Morus wie sein Freund Erasmus für seinen Humor bekannt.

Erasmus: „Die christliche Religion steht einer gewissen Torheit recht nahe; hingegen mit der Weisheit verträgt sie sich schlecht!“

Der Philosoph

Erasmus von Rotterdam darf durchaus als Weiser bezeichnet werden: neben Holländisch beherrschte er Latein, Griechisch, Hebräisch, Französisch, Englisch und Deutsch. Der Philologe analysierte die Bibel in Hebräisch ebenso wie andere antike Texte. Im ständigen Austausch mit der Welt im Gespräch, per Brief oder durch Veröffentlichung seiner zahlreichen Bücher und Schriften, lag ihm mehr am Verständnis des Gegenüber, als daran Recht zu behalten oder jemanden zu belehren.

Besonders bemerkenswert erscheint seine Einstellung zur Dumm- und Torheit. Sie müsse nicht beseitigt oder überwunden werden, sie ist unverzichtbares Element des menschlichen Lebens und seiner Natur. Ein Gegengewicht zur Ratio und Vernunft, die später in der Zeit der Aufkllärung (1650 - 1800) und - bis heute - als erstrebenswerte Ideale allein die Geisteswelt bestimmten. Die Fehler, die jedem unweigerlich im Leben unterlaufen, sind genauso wichtig wie das Akzeptieren der Fehler anderer. Nichts ist furchtbarer als ein Freund oder Ehegatte, der auf Perfektion pocht. Da kann man durchaus auch mal fünfe gerade sein lassen, ansonsten ist Streit die unweigerliche Folge. Erasmus war eindeutig ein Mann des Friedens und der Versöhnung. Das ist es, was Menschen groß macht. Wer Streitigkeiten und schlechte Stimmung mit unterhaltsamen Späßen und humorigen Bemerkungen zu beenden weiß, ist der Allergrößte.

„Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.“

 

Literatur und bekannteste Werke:

Adagia (1500)

Handbuch des christlichen Streiters (Enchiridion militis christiani, 1503)

Das Lob der Torheit (Moriae Encomium, 1511) - auf TechnoSoph zum online lesen

Über die Erziehung des christlichen Fürsten (Institutio Principis Christiani, 1516)

Paraphrasen des Neuen Testaments (1517–1524)

Ebenfalls zum Thema "Erasmus von Rotterdam" auf TechnoSoph zum online lesen: Stefan Zweig - Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam (1934)