Straßenszene aus der Zeit Konfuzius'
Nachempfundene Straßenszene aus der Zeit Konfuzius' um 500 v.Chr.

»War die Matte nicht gerade, so setzte er sich nicht.«

 

Sein Leben

Konfuzius (Kong Qiu, später Kong Fuzi = Lehrmeister Kong) wurde 551 v.Chr. in eine Welt politischer Wirren und kriegerischer Auseinandersetzungen geboren. Sein Geburtsort, die Stadt Qufu in der heutigen Provinz Shandong, war Hauptstadt von Lu, einem der zahllosen rivalisierenden Königreiche während der Zeit der sog. "Frühlings -und Herbstannalen" (770-476 v.Chr.), dem Übergang zu einer Epoche, die den vielsagenden Namen "Zeit der streitenden Reiche" trägt. 

Kong war Nachfahre der Könige von Shang, der zweiten Dynastie Chinas, die zwischen dem 18. und 11. Jahrhundert v. Chr. herrschte, von der Zhou-Dynastie abgelöst wurde, und deren Nachfahren im Laufe der Zeit ihre Reichtümer verloren und wieder zu gewöhnlichen Bürgern wurden. So trat er im Alter von 19 Jahren in den niederen Staatsdienst ein und arbeitete in verschiedenen Verwaltungspositionen, u.a. als Scheunenaufseher, dann als Inspektor von Getreidespeichern. Das klingt zwar besser, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass er lange Zeit auf den unteren Sprossen der Karriereleiter stand. So gewann er Einblick in bürokratische Abläufe und entwickelte langsam seine von Ordnung, Moral und den Gedanken über gerechte Herrschaft geprägte Philosophie. 

„Mit fünfzehn Jahren richtete ich mich aufs Lernen hin, mit dreißig stand ich auf festem Grunde, mit vierzig war ich frei von Zweifeln, mit fünfzig verstand ich das Mandat des Himmels, mit sechzig wurde mein Gehör fein, mit siebzig konnte ich den Wünschen meines Herzens folgen, ohne das Maß zu überschreiten.“ aus den "Analekten" oder "Gesprächen des Konfuzius".

Erst im Alter von 50 Jahren stieg er zum Bauminister auf, wurde kurz darauf Justizminister und schließlich 498 v.Chr. stellvertretender Kanzler von Lu. Die von ihm eingeführten Reformen festigten die Regierung und waren geprägt von egalitären Bildungsgedanken und seinen moralischen Ansprüchen. Von ständigen Intrigen und der Dekadenz der herrschenden Klasse enttäuscht, quittierte er aber bereits nach wenigen Jahren in hohen Positionen endgültig den Staatsdienst und zog von nun an als Lehrmeister durch die Provinzen. Auf dieser 13 jährigen Wanderschaft verbreitete er seine Lehre des "ju" oder "yu", des Edlen, des durch Ordnung, Moral und Menschlichkeit gefestigten Menschen. In den letzten Jahren seiner Reisen entging er 489 v.Chr. während der ständig stattfindenden kriegerischen Konflikte nur knapp dem Hungertod, bevor er 484 v.Chr nach Lu zurückberufen wurde. In diesen letzten fünf Jahren vor seinem Tod 479 v.Chr. vertiefte er seine Lehren, unterrichtete seine Schüler und widmete sich dem Kommentieren und Zusammenstellen klassischer Texte wie den "Frühlings- und Herbstannalen". Diese jahreszeitliche Chronik des Staates Lu (722-481 v.Chr.) gab dieser Epoche nachträglich ihren Namen.

 

Seine Lehre

Von Konfuzius selbst sind keine schriftlichen Aufzeichnungen erhalten. Die Grundlage für das, was wir über seine Lehre wissen, verdanken wir seinen Anhängern, die in den Jahrhunderten nach seinem Tod seine überlieferten Gedanken festhielten. Das wichtigste dieser gesammelten Gedanken und Aphorismen sind die "Analekten" oder "Gespräche des Konfuzius" (hier übersetzt zum Nachlesen), auf chinesisch "lún yǔ", 论语. Aus diesen ergeben sich fünf Grundmotive, auf denen diese nach Harmonie und Vollkommenheit strebende Lehre aufbaut. Das Ideal, "der Edle", vereint diese in sich, indem er respektvoll, rechtschaffen, gerecht, ergeben und höflich soziale Kompetenz aufweist. Die fünf Lehren:

So ist es

»Lernen und fortwährend üben: Ist das denn nicht auch befriedigend? 
Freunde haben, die aus fernen Gegenden kommen: Ist das nicht auch fröhlich?
Wenn die Menschen einen nicht erkennen, dennoch nicht murren: Ist das nicht auch edel?«

Das sind die ersten Zeilen des Lun Yü mit Gedanken über Hingabe, einfache Freude und Bescheidenheit. Aus heutiger Sicht angenehm bodenständig, ohne Zweifel und Frage nach Sinn oder Berechtigung, das höhere Ziel ist Harmonie, nie Zwang.

„Wer nicht danach strebt, dem eröffne ich nicht die Wahrheit. Wer nicht selbst nach den rechten Worten sucht, den unterweise ich nicht. Nehmen wir an, ich zeige jemandem eine Ecke, und er vermag es nicht, dadurch auf die anderen drei Ecken zu schließen, dann wiederhole ich nicht.“

Ordnung

„Die Ordnung beginnt in der Familie. Wenn die Familie in Harmonie ist, wird der Staat gut regiert. Wenn der Staat gut regiert wird, herrscht Frieden in der Welt.“

Grundlegend für ein harmonisches Zusammenleben war für Konfuzius Ordnung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Beginnend beim Respekt und der Ergebenheit der Kinder gegenüber den Eltern, des Einzelnen im Einhalten der Sitten und Traditionen, der Achtung und Ehrung der Ahnen bis zur Verantwortung der Herrschenden gegenüber dem Volk. Freiheit ist danach nur durch Einhalten der für alle gleich geltenden Regeln erreichbar. Das Verletzen dieser Regeln führt von schlechten Familienverhältnissen über die Sittenlosigkeit in Unterdrückung und Tyrannei. Chaotische Zustände bringen also Unfreiheit und Zwang mit sich, diese gilt es daher zu vermeiden. Dabei berücksichtigt er aber die Verschiedenheit der Individuen und den gesellschaftlichen Rang. Das trennt seine Lehre klar von der nicht nur hierzulande weitverbreiteten Vorstellung von Zucht und einheitlicher Ordnung.

„Ran Qiu ist ein Mensch, der sich nur zögernd zum Handeln entschließt. Deshalb ermutige ich ihn. Zi-lu ist ein Draufgänger. Deshalb halte ich ihn zurück.“

Bildung

„Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“

Unabhängig von Voraussetzung oder Herkunft solle jedem die gleiche Bildung zukommen - so weit derjenige das überhaupt wünscht. Das Ziel ist Selbstkultivierung den Mitmenschen zuliebe und Wissen kein Mittel zu profaner persönlicher Selbsterhöhung oder -optimierung. Ein humanistischer Ansatz und das vor 2500 Jahren. Damals wie heute:

„Im Altertum lernte man, um sich selbst zu vervollkommnen; heute dagegen lernt man, um anderen gegenüber etwas zu gelten.“

Menschlichkeit

„Menschlichkeit bedeutet, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.“

Der aufklärende deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) hat garantiert Konfuzius gelesen, bevor er seinen kategorischen Imperativ formulierte. Der feine Unterschied: Konfuzius fordert nichts und leitet keine zu befolgenden Gesetzmäßigkeiten daraus ab, er erklärt. Fernöstliche Freude an Harmonie versus deutsche Rechtschaffenheit. Den moralischen Zustand auch unserer heutigen Gesellschaft beleuchtend:

„Der sittliche Mensch liebt seine Seele, der gewöhnliche sein Eigentum.“

Der Weg ist das Ziel

„Es spielt keine Rolle, wie langsam du gehst, solange du nicht stehen bleibst.“

Trotz der Gewissheit der Unerreichbarkeit des Ideals, des Edlen, schätzt Konfuzius das Bemühen darum. Die von ihm überlieferten Gedanken und Zitate helfen uns, dem gewünschten Ziel Schritt für Schritt näher zu kommen. So spricht der Meister:

„Wer das Ziel kennt, kann entscheiden; wer entscheidet, findet Ruhe; wer Ruhe findet, ist sicher; wer sicher ist, kann überlegen; wer überlegt, kann verbessern.“

 

Sein Erbe

Im Laufe der Zeit wurden die Lehren Konfuzius' verboten, dann wieder hochgehalten um sie anschließend wieder zu verteufeln. Betrachtete man sie während der Qin-Dynastie (221-206 v.Chr.) als Bedrohung für den Feudalstaat und verbrannte konfuzianische Schriften, wurde seine Lehre von der darauf folgenden Dynastie der Han (206 v.Chr.-220 n.Chr.) zur Staatsideologie erhoben. Manchen Herrschern war er zu egalitär und volksnah, anderen wieder zu reaktionär und konservativ - ein fortwährendes Auf und Ab bis in unsere Zeit. Während der kommunistischen Kulturrevolution (1966-1976) unter dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Mao Zedong war der Konfuzianismus wieder mal sententia non grata, inklusive Bücherverbrennung und Hinrichtungen. Heute unter dem Vorsitzenden Xi Jinping erleben konfuzianische Lehre und ihr Meister wieder eine Renaissance, der großen Harmonie-Offensive sei Dank.

Der Stellenwert, den die Lehren des großen Konfuzius im gesamten Fernen Osten haben, muss sicher nicht besonders hervorgehoben werden, der ist allseits bekannt. Seine Hinterlassenschaft wirkt weit über seine Zeit und Asien hinaus. Kein Staatsmann, kein Philosoph, eigentlich niemand, dem Geist und Seele wichtig ist, kommt an ihm vorbei. Es ist garantiert nicht vermessen, ihn in eine Reihe mit bedeutenden Sinn- und Religionsstiftern wie Buddha, Lao-tse, Jesus oder Mohammed zu stellen. Nur wenige haben zum friedlichen Miteinander und zur seelischen Entwicklung der Menschheit ähnlich bedeutendes geleistet wir der große Meister Kong Fuzi aus dem Reich der Mitte.

„Der Mensch hat drei Wege, klug zu handeln: Erstens durch Nachdenken – das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen – das ist der leichteste. Drittens durch Erfahrung – das ist der bitterste.“